Die gestrigen Parlamentswahlen in Finnland verliefen so dramatisch wie lange nicht mehr. Bis in die frühen Morgenstunden hatten viele Wähler gezittert, weil es zeitweilig so aussah, dass die Rechtaussenpartei der Basisfinnen die stärkste Fraktion im finnischen Parlament stellen würde und damit auch traditionell den Vortritt bei den Regierungsverhandlungen gehabt hätte. Der letztendliche Vorsprung der Sozialdemokraten vor den Basisfinnen fiel mit 0.2% hauchdünn aus. Obwohl die Sozialdemokraten nach 1999 erstmals wieder die stärkste Fraktion stellen werden, ist die Freude verhalten. Da keine Partei über 20% der Stimmen erreichen konnte, wird die Regierungsbildung schwierig. Alle demokratischen Parteien hatten im Vorfeld der Wahlen eine Koalition mit den Basisfinnen ausgeschlossen. Die von einigen erhoffte Schwächung der ultrarechten Basisfinnen durch eine Parteispaltung vor nicht einmal zwei Jahren ist nicht eingetreten und macht den Wahlerfolg der Basisfinnen um so verstörender. Das finnische Konzept, die Anziehungskraft der ultrarechten Parteien durch ihre explizite Einbinding in die Politik zu schwächen hat sich somit wahrscheinlich als Fehler herausgestellt.
Zwei zentrale Standpunkte der Basisfinnen waren die verschärfte Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik und die vielleicht geringste Priorität aller Parteien bezüglich des Umweltschutzes und speziell der Bekämpfung der globalen Erwärmung. In beiden Punkten unterscheiden sich die Basisfinnen grundlegend von fast allen anderen Parteien. Traditionell ist aber die finnische Politik eine Konsenspolitik und mit wenigen Ausnahmen sind Koalitionen jeder Partei mit jeder anderen Partei denkbar. Zur Zeit sieht noch so aus als ob alle demokratischen Parteien sich an ihr Wahlversprechen halten werden, nicht mit den Basisfinnen zu koalieren. Der wahrscheinliche zukünftige Ministerpräsident der Sozialdemokraten Antti Rinne hat in einem Interview nach der Wahlnacht noch einmal die Unvereinbarkeit der Standpunkte der Basisfinnen mit sozialdemokratischen Werten betont und das er eine unterschiedliche Behandlung von Menschen aufgrund ethnischer Zugehörigkeit oder Hautfarbe unmöglich akzeptieren kann.
Im Prinzip ging es bei den Wahlen um eine Abrechnung mit der seit vier Jahren im Amt befindlichen Koalitionsregierung unter dem Ministerpräsidenten Juha Sipilä. Juha Sipilä hatte schon vor einem Monat den Rücktritt seiner Regierung bekanntgegeben, und war nur noch geschäftsführend im Amt, weil er zentrale Versprechen zur Erneuerung des Gesundheitssystems aufgrund mangelnder Unterstützung nicht einhalten konnte. Sipilä von der Finnischen Zentrumspartei ist (oder sollte man lieber sagen war) ein Quereinsteiger aus der Wirtschaft in die Politik. Obwohl die konservativen Sammlungspartei und die Basisfinnen (dem finnischen Pendant zur AfD) auch der bisherigen Koalitionsregierung angehörten, wurde nur die Zentrumspartei vom Wähler für die Politik der letzten Jahre mit massiven Verlusten von über 7% abgestraft, ihrem schlechtesten Ergebnis seit 100 Jahren.
Ob meine eigenen Hoffnungen nach verstärkten Investitionen in Bildung und Forschung sich erfüllen, steht und fällt mit den Sozialdemokraten und deshalb haben sie auch meine Stimmen erhalten. Obwohl auch alle anderen Parteien versprochen haben die Ausgaben für R&D langfristig zu verdoppeln, ist die Ideologie der schwarzen Null auch in Finnland bei den Konservativen beliebt. Zumindest die Konservativen und die Zentrumspartei haben innerhalb der letzten 10 Jahre jede Gegegenheit verpasst zu zeigen, dass ihnen Investitionen in unsere Zukunft und in unsere Kinder am Herzen liegen. Es ist schon merkwürdig, dass es Geschäftsleuten wie Juha Sipilä ein fremder Gedanke sein sollte, dass man die Zukunft investieren muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben.