Das Lipödem ist eine Ansammlung von subkutanem Fettgewebe, vor allem im unteren Körperbereich, die sich einer Gewichtsabnahme widersetzt und fast ausschließlich bei Frauen auftritt. Es ist oft schmerzhaft, neigt zu Hämatomen und hat vermutlich eine genetische Komponente, die wahrscheinlich durch hormonelle Veränderungen ausgelöst wird. Obwohl das Lipödem bereits vor mehr als 80 Jahren als Krankheit erkannt wurde, ist unser Wissen über die Krankheit und ihre Entstehung lückenhaft. Die Gründe dafür liegen nicht zuletzt darin, dass das Lipödem erst vor kurzem in den offiziellen Kanon der Krankheiten aufgenommen wurde.
Nahezu alle Aspekte der Krankheit sind umstritten, angefangen bei der Klassifizierung. Die Symptome des Lipödems überschneiden sich mit denen der Adipositas, Lipodystrophien, Lymphödeme und Bindegewebserkrankungen. Es gibt noch keine spezifischen Tests und aufgrund der unsicheren Diagnoselage bestehen auch erhebliche Unsicherheiten bezüglich der Prävalenz des Lipödems, mit weit auseinandergehenden Schätzungen, die von 1:75.000 bis zu 39 % aller Frauen reichen. Zur Ursache des Lipödems wurden viele Hypothesen aufgestellt, u. a. dass es sich um eine Fettstoffwechselstörung, eine Bindegewebsstörung, eine entzündliche oder Immunerkrankung handelt. Eine endgültige Ursache wurde noch nicht gefunden, und die Suche nach „Lipödem-Genen“ hat bisher keine eindeutigen Ergebnisse erbracht, mit Ausnahme einzelner Gene, die nur für einen kleinen Teil aller Patienten eine Rolle spielen.
Die beste derzeit verfügbare Behandlung ist vielleicht die Fettabsaugung, und die Wirksamkeit anderer Therapien ist unterschiedlich, und Erfolgsberichte existieren für die komplexe physikalische Entstauungstherapie und entzündungshemmenden Therapien. Diätetische Maßnahmen und körperliche Betätigung werden als möglicherweise hilfreich genannt, aber die Zahl der aussagekräftiger evidenzbasierten Studien ist aufgrund der geringen Teilnehmerzahlen begrenzt.
Alle oben genannten Merkmale des Lipödems deuten darauf hin, dass es sich - ähnlich wie bei der koronaren Herzkrankheit (KHK) - um eine komplexe, multifaktorielle Erkrankung handelt, für die es kein einzelnes ursächliches Gen gibt. Es gibt deutliche Parallelen zwischen der Komplexität der KHK und den Herausforderungen beim Verständnis des Lipödems. Obwohl das Lipödem inzwischen allgemein als somatische Erkrankung anerkannt ist, besteht immer noch große Unsicherheit über seine Natur. Wenn man die Komplexität akzeptiert, anstatt nach einfachen Erklärungen zu suchen, werden viele Schwierigkeiten der Lipödem-Forschung erklärbar. Im Gegensatz zur KHK, die seit einem Jahrhundert mit massiven Fördermitteln erforscht wird, ist das Lipödem ein Nischenforschungsgebiet mit begrenzten Möglichkeiten. Fruchtbare Schwerpunkte der Forschung könnten die Identifizierung möglicher Riskofaktoren und bessere Diagnosemöglichkeiten sein, evtl. sogar die Entwicklung eines Labortests.