Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir

Nürnberger Trichter

Non vitae sed scholae discimus („Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir.“; "Thus we learn our lessons, not for life, but for the lecture-room.") ist ein ungefähr 2000 Jahre altes Zitat Senecas aus einem Brief an einen seiner Schüler. Mein Sohn ist der gleichen Ansicht: das meiste, was er in der Schule lernen müsse, wäre nicht wichtig für das wirkliche Leben. Leider muss ich ihm (und viele andere Experten mit mir) da Recht geben. Dem Stolz und der Freunde, die den Anfang der Schullaufbahn der meisten Kinder begleiten, folgt oft innerhalb weniger Jahre die Ernüchterung. Schon wenige Wochen nach den grossen Ferien warten die Kinder nur noch auf die Herbst und dann auf die Weihnachtsferien, obwohl Lernen doch Spaß machen kann. Was läuft hier falsch? Wie schaffen es die Schulen so schnell, die natürliche Neugierde und Motivation der Kinder zu abzutöten?

Ich habe anfangs zu argumentieren versucht, dass es nicht wichitg is WAS man lernt, sondern dass man das LERNEN lernt. Und das könne man ja an beliebigen Themen. Leider ist dieses Argument ein Armutszeugnis für diejenigen, die die Lehrpläne für unsere Schulen erstellen oder umsetzen. Warum lässt man dann die Schüler nicht LERNEN lernen an Themen, die interessant und relevant sind? Wo vor hundert Jahren Lesen, Schreiben und die Grundrechenarten genügten, wächst das Wissen heutzutage exponentiell. Und die einzige Antwort der Schulbürokraten ist, immer mehr neuen Stoff in die Lehrpläne zu packen, ohne Altes aus den Lehrplänen zu streichen. Dabei währen eher mehr Freiräume als früher notwendig, weil die Vermittlung vieler der heutzutage benötigten Kompetenzen Spielraum und flexible Strukturen benötigt. Mir ist klar, das die (personellen und finanziellen) Möglichkeiten der meisten Schulen begrenzt sind. Trotzdem gibt es viele Lehrer, die dem Mangel (in einem der reichsten Länder der Welt!) die Stirn bieten und mit mit viel Energie und Engagement modernen Unterricht gestalten.

Viele sehen das Heil in einer verstärkten Rolle der MINT-Fächer (MINT = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik; auf Englisch STEM: science, technology, engineering and mathematics), aber gerade hier ist der Informationszuwachs so rasant, das Lehrpläne und vermutlich auch die meisten Lehrer nicht annährend mit der Realität mithalten könnten, auch wenn das zu vermittelnde Wissen unmittelbar relevant wäre. Deshalb sind heute Lehrer gefragt, die ihren Schüleren nicht nur Fakten beibringen, sondern Methoden. Solche Konzepte kann man gerade mit hochaktuellen und interessanten Themen vermitteln:

  • Warum wir wissen, was wir wissen
  • Was ist der Unterschied zwischen "Fakten", "Argumenten" und "Meinungen"
  • Warum gibt es in der Wissenschaft keine absoluten "Wahrheiten"
  • Warum es trozdem Theorien, gibt, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit richtig sind
  • Was eigentlich "richtig" und "falsch" in der Wissenschaft bedeutet
  • Warum Wissenschaft keine statische Anhäufung von Fakten ist, sondern eine dynamische Methode.

Wissenschaft ist die erfolgreichste Methode, die wir kennen, um uns der Realität zu nähern. Damit oute ich mich als Gegner der postmodernen Beliebigkeit (die auch die Wissenschaft als kulturbestimmt und ohne irgendwelche spezielle Beziehung zur Realität betrachtet).

Die aktuellen Lehrpläne bereiten auf das vor, was vorgestern wichtig war. Die heutigen Kinder brauchen anstatt Stoffwissen Methoden. Und die Methoden kann man anhand eines Stoffes lernen, der interessant für jedes individuelle Kind ist. Und dabei geht es auch nicht um die Stoffmenge, sondern eher um die Tiefe. Soziale Kompetenzen, Kreativiät, Toleranz, Engagement und Verantwortung sind andere Dinge, die heutige Schulen vermitteln sollten und die für das Überleben der Menschheit unabdingbar sind; mehr zu diesem Thema gibt es zuhauf im Internet, hier nur zwei Links zur Anregung: https://www.cicero.de/kultur/wir-brauchen-eine-bildungsrevolution/51963 und http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/eltern-und-lehrer-fordern-be....