PD Dr. Michael Jeltsch, Universität Helsinki & Wihuri-Forschungsinstitut, Finnland, michael@jeltsch.org
Der vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktor C (VEGF-C, engl. Abkürzung für Vascular Endothelial Growth Factor-C) ist unabdingbar für die Entwicklung und das Wachstum der Lymphgefäße. Zusammen mit VEGF-D bildet er die lymphatische Gruppe innerhalb der VEGF-Familie, deren andere Mitglieder (PlGF, VEGF/ VEGF-A, VEGF-B) hauptsächlich für das Wachstum und die Funktion der Blutgefäße Bedeutung besitzen.
VEGF-C wurde als Ligand des Tyrosinkinase-Rezeptors VEGFR-3 entdeckt (1) und seine spezifische Wirkung auf Lymphgefäße wurden erstmals 1997 beschrieben (2,3). Etwa ein Drittel aller erblichen Lymphödeme beim Menschen beruhen auf Mutationen in Genen, die and der VEGF-C-Signalvermittlung beteiligt sind (4). Bei Mäusen führt das komplette Fehlen von VEGF-C zum Tod im Embryonalstadium (5). Aus wahrscheinlich ähnlichen Gründen gehen daher die erblichen Lymphödeme in der klinischen Praxis immer nur mit einer partiellen Inaktivierung der Signalvermittlung einher. Betroffen ist in den meisten Fällen VEGFR-3 (6), aber für alle im Folgenden besprochenen Komponenten der VEGF-C Signalvermittlung sind erblichen Lymphödemen zugrundeligende Mutationen beschrieben oder vermutet worden. z.T. als Bestandteil eines multifaktoriellen Erbgangs.
Die Regulation der VEGF-C-Aktivität
Die funktionellen Unterschiede zwischen den angiogenen und lymphangiogenen VEGFs spiegeln sich in ihrem Aufbau wieder. Im Gegensatz zu den angiogenen VEGFs, die sofort nach der Sekretion aktiv sind, wird VEGF-C als inaktives Protein produziert und wird erst durch zwei enzymatische Spaltungen aktiviert (7). Der erste enzymatische Schnitt erfolgt konstitutiv. Das resultierende pro-VEGF-C kann den VEGFR-3 binden, aber noch nicht aktivieren. Erst mit dem zweiten Schnitt wird VEGF-C aktiv. Als verantwortliche Protease wurde ADAMTS3 (A Disintegrin And Metalloproteinase with Thrombospondin motifs 3) identifiziert (8). Damit ADAMTS3 VEGF-C aktivieren kann, ist das CCBE1 (Collagen And Calcium Binding EGF Domains 1)-Protein notwendig. CCBE1 erfüllt zwei Funktionen: Seine C-terminale Domäne aktiviert ADAMTS3 (9), während seine N-terminal Domäne VEGF-C auf der lymphatischen Endothelzelloberfläche immobilisiert und damit eine effiziente Aktivierung durch das ebenfalls zelloberflächen-assozierte ADAMTS3 gewährleistet (10).
Anders als die VEGF-A-Produktion, die durch Sauerstoffmangel ausgelöst wird, sind die Auslöser für die VEGF-C-Produktion weniger gut bekannt. Die Annahme, dass Blutgefäße grösseren Kalibers durch verstärkte VEGF-C-Produktion das Lymphgefäßwachstum und damit die Gewebsdrainage etablieren, erscheint plausibel. Evtl. spielt auch hier, wie bei der Embyonalentwicklung, der interstitielle Druck eine Rolle (11).
VEGF-C als pharmakologisches Zielobjekt
Die Beiteiligung des VEGF-C/VEGFR-3-Signaltransduktionswegs an der Blutgefäßversorgung von Tumoren etabliert VEGF-C als Zielmolekül in der antiangiogenen Tumortherapie (12). Die aktive Rolle von VEGF-C an der lymphogenen Metastasierung und die therapeutische Wirksamkeit einer Blockade des VEGF-C/VEGFR-3 Signaltransduktionsweges ist aus vorklinischen Studien bekannt (13,14). Aufgrund erheblicher Unterschiede im VEGF-C/VEGFR-3-Signaltransduktionsweg zwischen Mäusen und Menschen (15,16) ist es aber längst nicht klar, inwieweit diese Studien für die Situation beim Menschen relevant sind. Neuere Studien zeigen überzeugend, dass der Lymphknotenstatus für einige Tumore eher ein Indikator für das Metastase-Potential ist als eine Phase des Metastasierungsprozesses (17). Das Design der einzigen, mittlerweile vollendeten klinischen Studie (Phase 1), in denen VEGF-C-Signale mit Antikörpern blockiert wurden, lässt leider keine Rückschlüsse darauf zu, ob eine VEGFR-3 Blockade eine lymphatische Metastasierung hemmt (Monotherapie austherapierter kolorektaler Karzinome, n= 21; 18). Zwischenresultate einer laufenden Studie, in der VEGF-A- und VEGF-C-Signalwege blockiert werden, weisen darauf hin, dass eine Kombinationstherapie eventuell hilfreich sein könnte (19). Verglichen mit der anti-VEGF-A Standardtherapie (20) berichten Patienten vermehrt von Ödemsymptomen (18).
Stimulierung der Lymphangiogenese als Ödem-Therapie?
Primäre Lymphödeme, deren molekulare Ursache eine reduzierte Signalfunktion des VEGF-C-Signaltransduktionswegs ist, wurden im vorklinischen Studien an Mäusen erfolgreich mit dem Wachstumsfaktor VEGF-C therapiert (21). Eine klinische Studie, die gemeinsam mit einer Lymphknotentransplanation VEGF-C (Markenname Lymfactin™) verabreicht, hat sekundäre Lymphödeme nach einer Brustkrebs-OP zur Zielgruppe. Die Studie von Herantis Pharma hat seit Ende 2014 ein knappes Dutzend Patienten behandelt, aber noch keine Ergebnisse veröffentlicht (22,23). Die überraschende Wirkung von Ketoprofen auf Lymphödeme (24) ist auf die Inhibierung der Leukotriene-A4-Hydrolase zurückzuführen. Das spezifischere Bestatin/Ubenimex, das die Prostaglandin-Synthese weniger inhibiert und dessen Nebenwirkungen daher geringer sind, wird für die zur Zeit stattfindenden klinischen Studien eingesetzt (25).
English version („Essentials facts about VEGF-C in lymphology“): https://jeltsch.org/abstract-BadSoden2017