Glücklich oder "nur" zufrieden?

Happy or not?

Kein Druck zum Glücklichsein
Finnland ist vielleicht das einzige Land der Welt wo du dich so zeigen darfts wie du bist. Wenn du keinen Grund zum Lächeln hast musst du hier nicht lächeln. Ganz besonders in den Vereinigten Staaten gibt es einen gesellschaftlichen Druck zum extrovertiert sein. Die Leute sind dort manchmal sogar beleidigt, wenn man nicht nach aussen hin zeigt, dass man fröhlich und positiv eingestellt ist. In Finnland gibt es keinen solchen gesellschaftlichen Druck, nach außen hin glücklich zu sein. Vielleicht macht das ja auch ein bischen glücklich...

Das UN-Glücksbarometer hat viele methodologische Mängel
Ob Finnland aber wirklich das glücklichste Land der Welt ist, wie das Glücksbarometer der UN seit vier Jahren ununterbrochen behauptet, darf man guten Grundes bezweifeln. Und die meisten Finnen bezweifeln das auch. Das Konzept von Glück ist ein soziales Konstrukt und damit von Kultut zu Kultur unterschiedlich. Ich glaube, dass die Fragen, die im UN-Glückbarometer gestellt wurden, der tiefere Grund sind. Denn hier hat nicht jemand das Glück untersucht, sondern nur Leute gefragt, wie sie ihre Lebenssituation bezüglich verschiedener Aspekte auf einer Skala von 0 bis 10 einschätzen. Prof. Hannu Uusitalo ist einer der prominenteren Kritiker des Reports. Auch er sieht eine ganze Reihe methodischer Mängel. Der Anteile der Bürger, die nicht an den Interviews teilnehmen wollten oder aus anderen Gründen für ein Interview nicht verfügbar waren, waren offensichtlich sehr unterschiedlich zwischen den einzelnen Ländern, was zwangsläufig zu einer verzerrten Darstellung führt. Es gibt einige Methoden, um dies zu kompensieren, aber es ist unklar, wie genau dies gemacht wurde. Außerdem wurden einige Interviews telefonisch durchgeführt, während andere persönlich stattfanden, was ebenfalls zu großen Unterschieden führen kann.

Übersetzungsprobleme und Interessenkonflikte
Und die Übersetzung der Fragen ist eine Wissenschaft für sich. "Happiness" ist eben nicht genau das gleiche wie "Glück". Leider sind die Überseztungen der Fragen für diesen "Happiness Report" in die einzelnen Sprachen nicht öffentlich. Man muss Geld dafür zahlen, um Einsicht zu bekommen. Gallup begründet das damit, das sie selbst viel Geld für die Erhebung der Daten ausgegeben hätten. Und Lebenszufriedenheit (was wahrscheinlich gemessen wurde) wird in verschiedenen Kulturen sehr unterschiedlich verstanden. Ganz davon abgesehen, dass das ganze Projekt von den Vereinigten Arabischen Emiraten finanziert wurde. Die damit verbundenen Interessenkonflikte hat die britische Zeitschrift "The Intercept" gründlich dargelegt (https://theintercept.com/2021/12/29/jeffrey-sachs-uae-happiness/), auch wenn die Spitzenplätze der skandinavischen Länder wohl kaum von diesen Interessenonflikten betroffen sind (mehr über das Thema hier auf Finnisch: https://www.hs.fi/ulkomaat/art-2000008514849.html).

Wie gesagt, die Fragen hatten eher nichts mit Glück zu tun, sondern nur mit den Voraussetzungen für Glück, maximal mit der Zufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation. Einige der Fragen sollen wohl gewesen sein:

  • Wurdest du gestern den ganzen Tag über mit Respekt behandelt?
    Das misst wohl eher den egalitären Charackter einer Gesellschaft als Glück per se.
  • Hast du gestern etwas interessantes gelernt?"
    Ja, das Bildungssystem spielt hier eine grosse Rolle, und das nicht nur bei Kindern und Heranwachsenden, sondern auch bei Erwachsenen, von denen viele sich gerne weiterbilden, um im Beruf die Karriereleiter hinaufzusteigen oder einfach nur so.

Dann gibt es natürlich noch das sogenannte "toxic happiness". Wer glücklich ist, braucht den status quo nicht zu ändern. Damit die Menschheit überleben kann, müssen wir aber ganz viel ändern.

Link zum Report: https://worldhappiness.report/archive/
Link zum New York Times-Artikel über den Report: https://www.nytimes.com/2021/04/20/world/europe/world-happiness-report-r...